Vom 17.-19. März trafen sich rund 45 Teilnehmende im Bibelheim Männedorf am Zürichsee. Das Thema lautete: „Bete und lebe – von der Weisheit der Psalmen“.

Unser Referent war Pfarrer Hans-Rudolf Bachmann (Jahrgang 1950). Neben seinen Pfarrämtern bildete er sich zum Exerzitienleiter weiter und schrieb mehrere Bücher. Seit 2011 gehört er zum Drittorden der Kommunität Diakonissenhaus Riehen, wo er auch lebt und arbeitet. Zwei Diakonissen begleiteten Hans-Rudolf Bachmann an die Tagung. Sie hatten ihn schon in der mehrmonatigen Vorbereitungszeit vor der Tagung im Gebet begleitet.

Die erste Bestimmung der Psalmen ist das Gebet. Friso Melzer (*2) sagte: „Es gibt Leute, die das blosse Beäugen von Papier für Lesen halten.“ Speziell die Psalmen müssen „gemurmelt“, wiedergekaut, verinnerlicht werden.

Aus einem der schlimmsten Fluchpsalmen, nämlich dem 109., stammt das Juwel: „Ich aber bin Gebet“ (Vers 4b, Zürcher Übersetzung: „… während ich im Gebet verharre“). Ob wir Jesus zu unserer Not hereinlassen, ist die einzige und grundlegende Frage des Gebetes. Beim vollständigen verinnerlichen des Betens w i r d der Betende zum Gebet.

Bei glaubenden modernen Menschen wird Gott oft als Erfüller unserer Bedürfnisse betrachtet. Bachmann bekennt, dass ihn seine Auseinandersetzung mit den Psalmen immer tiefer in die Ehrfurcht vor Gott geführt hat. Der Gott, den uns auch die Psalmen zeigen, ist ein leidenschaftlicher Gott. An ihm entscheidet sich Sein oder Nichtsein, Bleiben oder Vergehen. Auch wenn wir Jesus zuhören, begegnen wir nicht einem Kuschelgott, sondern dem heiligen, ewigen Gott.
Die vollendetste Form des Betens von Psalmen ist der Gesang. In den Psalmen ist oft von Musik, von Jubel und Jauchzen die Rede. Als kleine Übung dazu unterbrachen wir die Referate regelmässig und sangen immer wieder dieselbe Vertonung von Psalm 103,1 und 8, ein Lied aus der orthodoxen Tradition. Dies auch getreu der Erfahrung, dass Psalmworte am tiefsten wirken, wenn sie wiedergekaut werden.

Oft klingt in den Psalmen das memento mori, die Begrenztheit unseres Lebens, an. Bachmann zitiert aus einer seiner Predigten, die er über Psalm 49 gehalten hat. Dort heisst es u.a.: „Jeder kann es sehen: Es sterben die Weisen, Tor und Narr, allesamt kommen sie um“ (Vers 11).

Der Referent richtete eine gerade für Pfarrpersonen wichtige Ermahnung an uns, nämlich mehr mit Gott zu reden statt vorwiegend über ihn. Das Psalmengebet ist ein jahrhundertelang und tausendfach bewährtes Mittel dafür. In den katholischen und evangelischen Klöstern und Kommunitäten wird es seit ihren Anfängen täglich geübt.

Aus vielen Psalmworten spricht eine überwältigende Nähe Gottes. Nähe ist nicht dasselbe wie Distanzlosigkeit. Weder Gott noch Jesus sind unsere Kumpel. Beherzigen wir doch Psalm 86,11b: „Richte mein Herz auf eines aus: deinem Namen mit Ehrfurcht zu begegnen.“ In den Psalmen finden sich auch Klagen über die Verborgenheit Gottes. Die Erfahrung, dass Gott fern ist, stellt die Kehrseite seiner Nähe dar, ja sie setzt die Erfahrung der Nähe voraus, die jetzt schmerzlich vermisst wird.

Die Grundhaltung Gottes gegenüber seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen ist die Güte. In der Zürcher Übersetzung kommt das Wort „Güte“ in den Psalmen neununddreissig Mal vor. Ohne Bezug zur Quelle aller Güte ist es schwer, eine zuversichtliche Weltsicht zu bewahren.

Bachmann erzählt uns ein Erlebnis, das er auf seiner letzten Reise nach Ägypten machte. Zwei Taxifahrer gerieten heftig aneinander. Als sie aufeinander loszugehen drohten, wurden sie von Passanten festgehalten. Sie mussten sich auf verbale Beleidigungen beschränken. Dies taten sie so lange, bis sie sich abgekühlt hatten und sich wieder die Hand geben konnten. Die ganzen Rachepsalmen wirken ähnlich: Von Gott gehalten, können wir unsere Wut hinausschreien, ohne dem Gegenüber echt gefährlich zu werden.

Gerade als Pfarrer/Pfarrerinnen sind wir verletzliche und auch oft verletzte Wesen. Die vielen Psalmworte über Zuflucht sind da hilfreich. Der Psalter enthält zweiundzwanzig Makarismen: „Glückselig sind …“. Diese Seligpreisungen geben – zusammen mit dem Finden von Zuflucht, Jauchzen, Jubeln und Musizieren – dem ganzen Psalter einen freudvollen Grundton, trotz aller Dunkelheiten, die ja auch darin vorkommen. Pfarrpersonen sind glückselig, wenn sie Kraftorte der Zuflucht finden, neben der Vertiefung in die Bibel ganz praktisch Orte wie Freundschaften, klösterliche Gemeinschaften usw. Gerade der PGB und die SEP sind privilegierte Zufluchtsorte.

Hans-Rudolf Bachmann schloss die Tagung mit einer Meditation zum Bild vom Baum am Wasser.

Alex Nussbaumer, Mitglied des Arbeitskreises der SEP