Hebräerbrief – SEP-Herbsttagung 2024 mit Prof. Dr. Peter Wick
An der diesjährigen Herbsttagung der Pfarrgemeinschaft war traditionsgemäss wieder Prof. Dr. Peter Wick zu Besuch. Er nahm uns in fünf Blöcken mit hinein in eine Welt geprägt von jüdischer Argumentation, platonisch angehauchten Gedanken, vom Exodus, der Kultzentralisation und der vielgesuchten Ruhe – kurzum, in die spannende, teils fremde, teils so ersehnte Welt des Hebrä-erbriefs.
Der Hebräerbrief, seit Luther zusammen mit dem Jakobusbrief ganz nach hinten verbannt in unseren Bibeln, stellt uns mit seiner Präsenz, aber auch mit seinen Inhalten einladend vor die Frage: Welche Elemente (der Bibel, aber auch spezifisch dieses Briefs) sind in der heutigen Zeit und Gesellschaft aktiviert – und welche nicht?

Angefangen haben wir nicht bei Adam und Eva, aber beim Exodus. Dieser nämlich, so legt es der Hebräerbrief nahe, hatte sein Ziel gar nie erreicht. Die lang ersehnte Ruhe, die grosse Sabbatru-he, verweigerte Gott seinem Volk Israel aus Zorn. Der wirkliche Erbteil war den Israeliten und Israelitinnen nicht zuteilgeworden. Die Ruhe steht noch aus – das Volk Israel ist nicht in die Hei-mat gekommen. Aber da nun Jesus Christus in diese Ruhe eingegangen ist, können wir Glauben-den den Weg des Exodus‘ wieder unter die Füsse nehmen. Und dieser Weg führt uns in die Hei-mat, zu unserem Erbteil, in die Ruhe: in den Himmel.
Der Hebräerbrief warnt davor, sich jetzt schon heimatlich einzurichten. Die Spannung des „Schon jetzt“ und „Noch nicht“ dringt auch hier durch: Die ersehnte Ruhe ist im Himmel bereits voll präsent und wir können uns mit ihr verbinden – schon jetzt. Aber Zeit unseres Lebens müs-sen, dürfen wir uns bemühen, in diese Ruhe einzugehen – noch nicht.
Gerade in unserer heutigen geschäftigen Zeit stellt uns der Hebräerbrief vor dringende, teils auch unangenehme Fragen: Wie verhält sich Unruhe (Bewegung) zur Ruhe (Ziel) im Glaubensleben? Was bedeutet es für unsere Zeit, wenn das oberste Ziel die Ruhe ist?
Was man in Bezug auf den Exodus und die Ruhe beobachten kann – die Reduktion auf eins (ein Ziel an einem Ort, nämlich im Himmel), lässt sich im Hebräerbrief auch bei anderen Gedanken-gängen nachvollziehen. So beispielsweise in Bezug auf den Kult, welcher hier auf Erden immer bloss Abglanz des einen Kults im Himmel ist. Platon lässt dezent grüssen. Hierin natürlich zu erwähnen ist die Reduktion auf einen Hohepriester zu einer bestimmten Zeit und ein Opfer: Je-sus Christus. Macht uns dies heute zu schaffen, dürfen wir uns vielleicht fragen, ob wir uns Gott so nahe herangeholt haben, dass wir Jesus Christus als Mittler gar nicht mehr brauchen. Kennen wir Furcht, nicht verharmlost in Ehrfurcht, überhaupt noch?
Mit diesen sowie vielen anderen Gedanken und Fragen im Gepäck dürfen wir nun bereichert den Hebräerbrief in unseren Gemeinden schmackhaft machen.
Aber natürlich bestand die Tagung nicht nur aus Hirnfutter, sondern wir wurden mit köstlichen Mahlzeiten, tiefgründigen Gesprächen in den Pausen und gelegentlichen Sonnenstrahlen auf der Nase beschenkt. Nebst dem traditionellen Gemeinschaftsabend, an welchem wiederum ausge-tauscht, gebetet und gemeinsam das Abendmahl gefeiert wurde, und den morgendlichen Grup-penzeiten rund um Bibeltexte, bildete an dieser Tagung das Feiern des 75-Jahr-Jubiläums der Pfarrgemeinschaft einen Höhepunkt.
In einer Waldhütte stiessen wir auf die 75-jährige, reiche Geschichte der Schweizerischen Evan-gelischen Pfarrgemeinschaft an, genossen einen liebevoll zubereiteten Apéro und wurden noch einmal mitgenommen zu den Meilensteinen der Gemeinschaft seit ihrer Gründung 1949. Es wurde aus alten Protokollen, Aufzeichnungen und Briefen vorgelesen und wir durften Anteil nehmen an den grossen und kleinen Fragen, Nöten und Befürchtungen, aber auch Freuden, die die Pfarrgemeinschaft in den letzten 75 Jahren erlebte und durchlebte. Und dem Einen oder der Anderen entlockte es doch hie und da ein Schmunzeln, durften wir doch merken, dass sich so Vieles im Wandel befindet und uns doch immer Ähnliches beschäftigt. Auch wir sind auf dem Weg. Und so passt dieses Zitat von Peter Wick ganz gut zum Schluss dieses Berichts: „Wenn ihr euch in Bewegung setzt, habt ihr die Verheissung, dass Er in uns schafft, was vor Ihm wohlgefäl-lig ist.“
Bericht und Bilder: Leandra Zeller